Die vier bzw. fünf apokalyptischen Reiter

Kann man voraussagen ob und wie lange eine Partnerschaft hält? Was meinen Sie?
Vielleicht haben Sie schon einmal von dem amerikanischen Paarforscher
John M. Gottmann gehört.
Er beantwortet diese Frage mit ja und tritt dafür den wissenschaftlichen Beweis an.
Er erfasste mit Hilfe eines so genannten Ehelabors seit mehreren Jahren die Geheimnisse einer glücklichen Ehe.
Er fand dabei unter anderem heraus, dass glückliche Paare, anstatt in
schlechter Stimmung über Probleme zu reden, lieber warten bis sie
wieder eine bestimmte Harmonie erreicht haben, um dann gemeinsam nach
Lösungen zu suchen.
Dabei wurde signifikant festgestellt, dass diese Paare die so genannten vier bzw. fünf apokalyptischen Reiter vermeiden.
Diese Metapher der apokalyptischen Reiter entnahm Gottmann wahrscheinlich der Bibel, denn die Apokalypse steht in der Bibel für den bevorstehenden Weltuntergang. Die vier Reiter erwähnt die Bibel im sechsten Kapitel der Offenbarung des Johannes als Boten der nannten Apokalypse, des Weltuntergangs.
Die vier aufeinanderfolgende apokalyptischen Reiter waren die Vorboten, die den bevorstehenden Weltuntergang ankündigten. In der Fantasie der Menschen spielten sie schon immer eine große Rolle.
So fertigte Albrecht Dürer im Jahre 1498 zum Beispiel einen Holzschnitt mit den 4 apokalyptischen Reitern an. Auch in der Literatur sind sie verankert, so schrieb zum Beispiel Michael Bachmann 1989 über Dürers Holzschnitt der apokalyptischen Reiter und deren Auslegungsgeschichte in der Zeitschrift für Theologie und Kirche.
Ursprünglich waren die apokalyptischen Reiter:
der erste Reiter war der Sieger
der Krieg war der zweite Reiter
der dritte Reiter war der Hunger und
der vierte Reiter war der Tod.
Im übertragenen Sinne können diese vier apokalyptischen Reiter nun
beim häufigen Auftreten in einer Partnerschaft auch zu deren Ende führen.
John Gottmann beobachtete hunderte von Paaren bis er schließlich
das Geheimnis dieser emotionalen und intelligenten Ehen entdecken konnte.
Es wurde schnell deutlich, dass auch glückliche Partnerschaften
niemals perfekte Verbindungen sind.
Es gab auch in diesen Beziehungen nicht selten Konflikte, die sich
genauso wie bei unglücklichen Paaren, um Job, Kinder, Haushalt, Geld,
Sex und Verwandte und Freunde drehten.
Dennoch gab es ein Geheimnis, dass darin liegt, wie sich vor allem
in solchen schwierigen, emotional aufgeladenen Situationen verhalten
wird und wie gemeinsam versucht wird, eine Lösung dafür zu finden,
um die Ehe beziehungsweise die Beziehung glücklich und stabil zu erhalten.
Eine wichtige Erkenntnis zu der Goodman in seiner jahrelangen Forschung
gelang, war die, dass glückliche Paare auch in Streitsituationen die
so genannten vier bzw. fünf apokalyptischen Reiter vermieden.
Was sind nun aber diese vier Reiter und inwiefern wirken sie sich
sehr negativ auf die Dynamik in einer Paarbeziehung aus?
Der erste apokalyptische Reiter:
Kritik/Vorwürfe:
Damit ist nicht gemeint, dass man seinen Partner nicht auch mal etwas
Kritisches sagen darf beziehungsweise sein Verhalten kritisieren kann,
sondern es geht besonders darum, dass dieser Reiter ganz bewusst
auf die Person des Partners und sein Charakter abzielt.
Es wird versucht, dem anderen bewusst Schuldgefühle zu machen,
ihm die Schuld zuzuweisen, und verurteilend zu wirken.
Dabei wird das situative Verhalten in dieser Situation verallgemeinert.
Es wird nicht versucht, gemeinsam den eigentlichen Konflikt zu lösen.
Solche Auseinandersetzungen sind dann häufig durch folgende
Sätze geprägt:
Das ist wieder so typisch für dich!
Ständig machst du das!
Immer wieder stellst du dich so an!
Du kannst es anscheinend einfach nicht besser.
Das habe ich dir wirklich schon so oft gesagt, aber anscheinend interessiert dich das nicht.
Nie bist du aufmerksam!
Jedes Mal blamierst Du uns!
Wenn ich mich doch nur ein einziges Mal auf dich verlassen könnte, immer ist es das Gleiche.
Bei diesen Aussagen handelt es sich nicht nur um direkte Angriffe auf den Partner,
sondern es wird die Vergangenheit und auch die Zukunft gleich mit ein geschlossen.
Nach Gotttmann ist es besser, den Grund für die Verstimmung des Partners
herauszufinden.
So fällt es meist leichter Verständnis für sein Verhalten beziehungsweise für seine
Kritik zu entwickeln. Wichtig bei allem sind dabei die
„Ich-Ansprachen“, d.h. ich kann nur von meinen Empfindungen und von
meinen Gefühlen reden, die das Verhalten meines Partners in mir auslösen.
Der zweite apokalyptische Reiter:
Geringschätzung/Verachtung
Diesen Reiter hält Gottman sogar für den gefährlichsten der vier Reiter.
Er spricht von ihm als „die Schwefelsäure der Liebe“, denn wenn man in einer Beziehung an diesem Punkt gelandet ist, geht es darum, den Partner tatsächlich bewusst zu verletzen.
Das stellt einen gewaltigen Unterschied zu einer Verletzung des Partners da, die uns sicherlich allen schon einmal unbewusst passiert ist, und die man im Nachhinein
bereut und für die man sich auch ohne weiteres, wenn man sie erkannt hat,
entschuldigen kann.
Geringschätzung und Verachtung für meinen Partner kann ich auf verschiedene Art
und Weise ausdrücken. Dieser apokalyptische Reiter kommt oft nonverbal daher,
d.h. vor allem mit Gesten und Untertönen, wie Verspottung des anderen, Augenrollen, Grinsen, abschätziges Kopfschütteln, aber auch Auslachen, Hohn oder ironische beziehungsweise zynische Bemerkungen gehören dazu.
Die vorhandenen Probleme werden nicht gelöst, sondern äußern sich in Wut, Drohungen, Provokation und Streitsucht. Ist ein Paar an diesem Punkt angelangt, geht es nicht
mehr um das Lösen von Konflikten, sondern Wunden werden nicht nur bewusst
aufgerissen, sondern es wird zusätzlich Salz hinein gestreut.
Das bedeutet oft den Anfang vom Ende einer Beziehung.
Wenn es dann wohl möglich auch noch soweit kommt, dass ein Partner intimes Wissen über den anderen ausplaudert, um ihn bloßzustellen, dreht sich die Abwärtsspirale unaufhörlich nach unten und oft ist es an diesem Punkt tatsächlich besser, wenn sich beide trennen.
Der dritte apokalyptische Reiter:
Rechtfertigung:
Hierbei geht es um Schuldabwehr und darum die Schuld dem anderen zurück zu schieben. Damit setzt sich ganz häufig eine Spirale der gegenseitigen Rechtfertigungen in Gange,
die den Konflikt eskalieren lassen, weil jeder dem anderen nachweisen will,
wie unangebracht und ungerecht- fertigt seine Kritik ist.
Das kann sich dann die folgt anhören:
Ja, aber das war doch deine Idee
Von dir bekomme ich ja keine Aufmerksamkeit mehr. Da ist es doch kein Wunder, dass ich mich für andere Frauen interessiere.
Das habe ich dann eben anders verstanden, als du es gesagt hast, dann musst du dich eben deutlicher ausdrücken.
Warum beschwerst du dich jetzt, dass du zu wenig Zeit für dich hast, du wolltest doch schließlich das Kind unbedingt.
Anstatt sich auf diese Art und Weise zu verteidigen und zu rechtfertigen, ist es für die Partnerschaft viel förderlicher, herauszufinden, was der Grund für die Verstimmung
des Partners ist und ihm Verständnis für sein Verhalten beziehungsweise
für seine Kritik entgegen zu bringen. Fühlt sich der Partner in seinem Problem
angenommen, wird sich für beide viel schneller und leichter eine Lösung finden lassen.
Der vierte apokalyptische Reiter:
Rückzug/Mauern:
Diese Methode wird in vielen Partnerschaften innerhalb eines Konflikts angewendet
und ist immer Gift für die Liebesbeziehung. Der Partner trägt scheinbare
Gleichgültigkeit zur Schau, er schweigt und redet nicht mehr mit seinem Partner,
er verlässt das Zimmer, zeigt resignierende Gesten, ist nicht mehr bereit zu zuhören
und stellt Emotionslosigkeit zur Schau, nach dem Motto:
„ Das geht mich jetzt alles nichts mehr an und interessiert mich auch nicht mehr.“
Dieses Verhaltensmuster des Rückzuges ist häufiger bei Männern als bei Frauen
anzutreffen. Männer glauben häufig, wenn sie sich von ihrer Partnerin abwenden,
gehen Sie dem Streit aus dem Weg, denn viele Männer mögen Konflikte überhaupt nicht.
Doch dieses Verhalten wird vom Partner oft als Gleichgültigkeit interpretiert
und provoziert so noch mehr Frust und Zorn, weil wenn keine Kommunikation
mehr möglich ist, sich Hilflosigkeit breitmacht.
Oft ist es auch so, umso mehr sich der andere um Kommunikation bemüht,
umso verschlossener wird der mauernde Partner. Im schlimmsten Fall entwickeln
sich auch so eine Konstellation von destruktiven Machtspielen.
John Gottman hat noch einen weiteren, den fünften und finalen Reiter, der auf das Ende einer Partnerschaft hindeutet, hinzugefügt.
Er heißt Machtdemonstration.
Wie oben schon aufgeführt, wenn dieser Reiter die Bühne betritt, ist das Interesse am Partner gänzlich erloschen, die Zeit der Rücksichtnahme ist endgültig vorbei und oft befinden sich beide tatsächlich in ihrer noch bestehenden Beziehung wie auf einem Schlachtfeld. Schon hier beginnt der Rosenkrieg, der ja dann oft auch in der
Trennungs- und Scheidungsphase weitergeführt wird.
Wir wissen alle, nach einer bestimmten Zeit ist die Phase der Verliebtheit endgültig
vorüber, glückliche Beziehungen und auch glückliche Ehen basieren nach
dieser Zeit auf einer tiefen verbindenden Freundschaft, die geprägt ist
von gegenseitigen Respekt und Freude an der Partnerschaft mit dem anderen.
Gottman hat bei seinen Forschungen folgendes fest gestellt:
der entscheidende Faktor, in wieweit Ehefrauen mit dem Sex der Liebe und
der Leidenschaft in ihrer Ehe zufrieden sind, ist für 70 % die Qualität
der Freundschaft in ihrer Beziehung. Auch bei Männern ist für 70 % die
Qualität der Freundschaft entscheidend.
Diese Partnerschaften sind von einem respektvollen und liebevollen Umgang
miteinander geprägt.
Dieses wertschätzende Miteinander hört auch in Konfliktsituationen nicht auf.
Natürlich streiten auch solche Paare, aber sie vermeiden die vier bzw. fünf
apokalyptischen Reiter und haben somit gute Chancen auch aus einer
Konflikt- beziehungsweise Streitsituation gestärkt für ihre Beziehung
oder Ehe hervor zu gehen.
Jetzt kennen Sie also die vier apokalyptischen Reiter in einer Beziehung.
Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass Ihnen der ein oder andere
sehr bekannt vorkommt und sie ihn vielleicht manchmal selbst verwenden.
Dann wissen Sie jetzt, dass Sie das zukünftig nicht mehr tun sollten,
wenn Sie eine glückliche harmonische Beziehung auf Augenhöhe anstreben.
Konflikte und Auseinandersetzungen kann man durchaus auch anders klären,
wie die vielen glücklichen Paare beweisen, die John Gottman für seine
Studien interviewt hat.
Und noch etwas, erst wenn uns bestimmte Dinge an uns selbst auffallen, weil sie uns bewusst geworden sind, können wir sie tatsächlich ändern.
Ein liebevoller Umgang ohne apokalyptische Reiter ist durchaus möglich,
wenn man sie erkennt und sich nicht von ihnen mitreißen lässt.